Die Filzballartisten vollziehen einen gewaltigen Umbruch. Im Zuge der Trennung von Trainer Hans-Ulrich Kirmse rückt der Leistungssport in den Hintergrund, das Hauptaugenmerk richtet sich auf den Nachwuchs und den Breitensport. Die Tennisschule ist fortan im Verein selbst angesiedelt.
Das für die Öffentlichkeit sichtbarste Signal im Zusammenhang mit der Neuaufstellung des Backnanger Tennisvereins ist zweifellos das Ende der Ära von Hans-Ulrich Kirmse. Im Rahmen der Saisoneröffnung am 30. April wird die TSG ihren Trainer, der sein Amt im Frühling 1986 und damit kurz vor Boris Beckers zweitem Wimbledon-Sieg angetreten hatte, nach 37 Jahren verabschieden. Für seine unbestrittenen Verdienste werden die Verantwortlichen anerkennende Worte finden, die aber kaum kaschieren können, dass es auf den letzten Metern dieses langen Miteinanders sehr unterschiedliche Auffassungen gab. Hier Kirmse, dessen Steckenpferd stets der Leistungssport war und der das zuletzt aus der Württembergliga abgestiegene erste Männerteam als werbewirksames Aushängeschild betrachtete. Dort die Vereinsleitung um den Vorsitzenden Klaus Lindner, deren Kosten-Nutzen-Abwägung vor allem mit Verweis auf die angespannte Kassenlage zu einem gänzlich anderen Ergebnis kam.
Den Schlussstrich zu ziehen war die naheliegende Konsequenz, doch die Veränderungen bei der TSG Backnang sind wesentlich weitreichender. So manches hängt mit Kirmses Aus zusammen, etwa der Rücktritt von Maximilian Hepp. Der Sportwart hatte unter dem langjährigen Trainer den Sprung aus der Jugend in das erste Männerteam geschafft, war dort bis zuletzt eine feste Größe und konnte sich mit den Rahmenbedingungen für die Zusammenstellung einer Oberliga-Mannschaft laut Klaus Lindner nicht anfreunden. Weg ist auch Jugendwart Florian Jakob: Er gehörte zu Kirmses Trainerteam, verdient seine Brötchen auf dem Platz und wird Chefcoach beim TV Birkmannsweiler. Mitsamt Lisa Bär und Peter Becker, die auch Tschüss sagen, ist von den alten Übungsleitern spätestens im Mai niemand mehr da.
Auf den Oberliga-Startplatz der ersten Männermannschaft verzichtet die TSG
Die Vereinsspitze hat in dieser Situation beschlossen, nicht einfach nach neuen Leuten zu suchen, sondern einen Kursschwenk zu vollziehen. Nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen, denn nach den Einnahmeausfällen in der Hochphase der Pandemie und lange Zeit sinkenden Mitgliederzahlen sind es mittlerweile die insbesondere in der Tennishalle anfallenden Energiekosten, die dem seit Mai 2022 amtierenden Finanzchef und stellvertretenden Vorsitzenden die Sorgenfalten auf die Stirn zeichnen. Thomas Heeb nennt als Beispiel die Gasabschlagszahlung, die von 1250 auf 3900 Euro pro Monat gestiegen ist. Strom und Wasser sind weitere Stichworte, dazu kommen gewisse Altlasten. Vor diesem Hintergrund in Zugänge und sogar eine Nummer eins aus dem Ausland zu investieren, um mit dem Männerteam auf württembergischem Spitzenniveau mithalten zu können, erschien Klaus Lindner und seinen Mitstreitern widersinnig. Es stattdessen fast ausschließlich mit Eigengewächsen zu schaffen, sei derzeit illusorisch, weil Nachschub mit entsprechendem Potenzial fehlt. Inzwischen steht fest: Die TSG meldet nach dem Abstieg keine Mannschaft für die Oberliga, die bisherige Zweite in der Bezirksklasse 2 ist im Sommer die Erste.
Geld soll vorrangig in die Nachwuchsarbeit und den Breitensport fließen
„Es gibt keinen in unserem Vorstand, der Leistungssport nicht gerne hätte“, versichert Klaus Lindner und will deshalb keineswegs ausschließen, dass Backnangs Filzballartisten irgendwann wieder weiter oben anklopfen. Vorerst bleiben aber nur die starken Seniorenteams übrig, hier wird trotz aller Differenzen auch Hans-Ulrich Kirmse nach wie vor für Backnang zum Schläger greifen. Ansonsten werden andere Prioritäten gesetzt, um den Klub mit der herrlichen Anlage zwischen der Weissacher Straße und dem Ungeheuerhof zukunftsfähig zu machen. „Wir haben auf Dauer nur über die Kinder und Jugendlichen eine Chance“, glaubt der Vorsitzende. Daher wird das Hauptaugenmerk nun auf die Nachwuchsarbeit und den Breitensport gerichtet, auch das verfügbare Geld soll vorrangig dorthin wandern. Der Förderverein mit Kirmse an der Spitze wurde bereits zum 31. Dezember 2022 aufgelöst und eine Hoffnung ist, dass davon der nun doch weiter bestehende Kinder- und Jugendförderkreis profitiert, dessen Aus im vergangenen Juni bereits beschlossene Sache war.
Mit der Trennung vom Trainer endet zudem der Vertrag mit dessen Tennisschule und die TSG setzt auch hier auf neue Strukturen. Es wurde bereits eine vereinseigene Tennisschule gegründet, die den Namenszusatz „Nachwuchscenter Backnang“ bekam, um die Neuausrichtung zu unterstreichen. Ihre Leitung und in Doppelfunktion die der Geschäftsstelle hat Jiri Javorsky inne. Der Rückkehrer, der schon von 2000 bis 2017 als Trainer bei der TSG arbeitete, sieht in der Tennisschule „das wichtigste Glied im Verein, um Mitglieder zu gewinnen und zu binden“. Während seiner vierjährigen Tätigkeit bei Rot-Weiß Stuttgart sei es gelungen, von 200 auf 450 Mitglieder sowie von 6 auf 25 Teams zu wachsen, rechnet er vor und legt die Messlatte damit doch ziemlich hoch. Klar ist, dass auch in Backnang zumindest ein leichter Aufwärtstrend erwartet wird.
Ein komplett neues Trainerquintett unter der Leitung von Jiri Javorsky
Zum neuen Trainerstab gehören Thomas Werkmann (A-Lizenz), Susanne Nufer, Sonja Degler (beide B-Lizenz), Fabienne Vincon und Frank Schierreich (beide C-Lizenz). Es gilt, „für alle Ansprüche einen Trainer oder eine Trainerin zu haben, die ihnen gerecht werden kann“, erläutert die kommissarische Sportwartin Stefanie Balmer die Auswahl. Dass Frauen darunter sind, „war uns auch wichtig“, ergänzt Klaus Lindner. Jiri Javorsky selbst will allenfalls dann auf dem Platz stehen, wenn es krankheitsbedingte Ausfälle gibt oder wenn der TSG die neuen Mitglieder die Bude einrennen. Ansonsten will er sich auf die Arbeit im Hintergrund konzentrieren, um beispielsweise mit der neuen Jugendwartin Annika Weiss die Nachwuchsarbeit zu intensivieren und Angebote wie Ausfahrten, interne Turniere oder Elternabende auf die Beine stellen zu können.
(Bericht aus der Backnanger Kreiszeitung vom 02.02.2023)